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2022-07-23 07:45:15 By : Mr. Jerome Chiang

EIn Artikel aus AUTO BILD Ausgabe 07/2017. Jetzt am Kiosk!

Andere in diesem Alter bekommen den Gnadenschuss. Oder, wahrscheinlicher, sie werden in den Nahen Osten entführt, nach Beirut zum Beispiel, wo sie als Taxi schuften müssen. Bis sie irgendwann zusammenbrechen – klassisches Mercedes-Schicksal.

So gesehen hat es unsere C-Klasse ja wirklich gut: Wir schätzen sie, und wir kümmern uns um sie, schließlich gehört sie nach fast zehn Jahren zu den Urgesteinen im AUTO BILD-Team.

Und dafür revanchiert sie sich: Sie fährt und fährt. Erst mit „WL“ im Kennzeichen, jetzt als echte Hamburgerin. Inzwischen sind es 400 000 Kilometer.

Dabei lehrt sie uns unentwegt, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein – da assistiert keiner, da gibt es kein Multimediagedöns, da sitzt du auf stoffbezogenen Basissitzen und fährst auf 16-Zoll-Rädern aus Stahl. Und? Schmälert der Verzicht das Fahrvergnügen? Nicht die Bohne, schwören fast alle Benz-Benutzer.

Gewöhnlich? Von wegen! BILD zeigt ihnen die Mercedes-Baureihe 124 der 80er und frühen 90er, wie Sie sie noch nie gesehen haben!

Daimler startet gleich drei Rückrufe für rund ein Dutzend Modelle. Grund sind Probleme mit Servo-Lenkung, Airbags und den Achsen.

Dabei muss man wissen, dass es sich um ein extrem rares Exemplar des Typs W 204 handelt: ein C 180 Kompressor, aber ohne Extras. Einzige Ausnahme ist das kleine Navi Audio 50 APS. Und das hätten wir uns schenken können.

Eine Ameise mit Tinte an den Füßen ist zielführender.

Was geschah seit dem Etappenziel bei Kilometer 300 000, das die C-Klasse (abgesehen vom kostspieligen Tausch des Katalysators) ohne besondere Vorkommnisse erreichte? Nicht viel, zumindest nichts Gravierendes.

Die Liste der Mängel und Reparaturen ist so aufregend wie das Mittagsprogramm im TV. Höhepunkte, auch bei den Kosten, waren die dringend notwendige Erneuerung der Steuerkette inklusive Nockenwellenversteller sowie ein neuer Anlasser. Ansonsten ein paar Leuchtbirnen, frische Bremsen, eine neue Frontscheibe (Steinschlag). Und dann ein Missgeschick, für das unser Benz gar nichts konnte.

Der Gesundheitscheck bei Kilometer 404 695 im Werk attestiert dem Dauer-Benz schließlich beste Voraussetzungen für weitere 100 000 Kilometer. Aber eine kleine Frischzellenkur, das lässt sich nicht verheimlichen, ist nun angebracht. Wir gönnen dem Oldie neue Stoßdämpfer, zum ersten Mal in seinem langen Leben, lassen den leicht durchgesessenen Fahrersitz aufpolstern, tauschen die Fahrertür und geben ihn zum Aufbereiter, der soll ihn herausputzen.

Das hat sich unsere C-Klasse verdient. Zumal sie während der letzten 200 000 Kilometer im Schnitt mit nur 50 Euro/1000 km für Reparaturen auskam. Wird unsere C-Klasse die halbe Million knacken? Ja, da sind wir sehr zuversichtlich. Und freuen uns schon mal drauf.

Es hat fast was Familiäres. Bereits zum vierten Mal seit 2007 rollt die C-Klasse Mitte Januar zum Technikcheck bei Mercedes in Sindelfingen auf die Hebebühne. Und fällt dort trotz ihres fortgeschrittenen Alters zwischen lauter aktuellen Modellen kaum auf. Auch der technische Zustand von HH-I 2363 ist unauffällig. Was die im Doppelpack angereisten DEKRA-Sachverständigen nach sechs Stunden akribischer Untersuchung in ihrem Protokoll bestätigen.

Selbstverständlich hat der Dauereinsatz Spuren hinterlassen: leichte Lackablösungen an den Türgriffen und am vorderen Stoßfänger, die Chrombeschichtung am Kühlergrill schwächelt. Und, nein – gänzlich rostfrei ist der Benz auch nicht. Wir finden zarte Korrosionsansätze an den Achsen, an den Federaufnahmen, am Rahmenlängsträger. Jedoch alles weit davon entfernt, sorgenvoll in Richtung nächste Hauptuntersuchung (10/2018) blicken zu müssen.

Motor Bauart/Zylinder Vierzylinder, KompressorHubraum1796 cm³kW (PS) bei U/min115 (156)/5200Nm bei U/min230/2500Höchstgeschwindigkeit223 km/hGetriebe/AntriebSechsgang/HinterradLeergewicht/Zuladung1402/568 kgKofferraumvolumen475 lAnhängelast gebr./ungebr.1700/740 kgTankinhalt/Kraftstoffsorte 66 l/SuperVerbrauch/Abgas CO2 (EU-Mix)7,4 l – 177 g/km

Diese Kosten sind angefallen:Versicherung und Steuern 12 246,00 €16 Wartungen gemäß Hersteller/Serviceanzeige 7502,95 €38 762 Liter Super = Realverbrauch 9,6 l/100 km über die Gesamtstrecke 52 328,70 €130 Liter Motoröl Nachfüllbedarf = 0,3 l/1000 km 3179,95 €7 Sätze Reifen (195/60 R 16, verschiedene Marken) 3497,20 €Reparaturen: Diverse Glühlampen 273,54 €Sieben Bremsinstandsetzungen 3581,36 €Zweimal Frontscheibe ersetzt 1834,84 €Scheibenwischer, Tire-Fit etc. 568,29 €Km-Stand 206 438: Kombischalter ersetzt 529,34 €Km-Stand 209 883: Gaspedal ausgetauscht 295,76 €Km-Stand 255 157: Scheibenwaschdüsen ersetzt 267,44 €Km-Stand 270 598: Katalysator samt Lambdasonden ersetzt 1760,48 €Km-Stand 286 172: Regler getauscht, Software-Update für Motorsteuergerät 434,62 €Km-Stand 312 993: Gelenkwellenscheibe ersetzt 437,12 €Km-Stand 362 347: Steuerkette inklusive Nockenwellenversteller getauscht 1683,54 €Km-Stand 395 083: Anlasser getauscht 635,74 €Km-Stand 397 846: Kühlwasserthermostat getauscht 136,46 €Total: 91 193,33 € = 23 Cent/km

Fahrertür (Unfall)997,00 EuroFahrersitz178,50 EuroAufbereitung928,20 EuroStoßdämpfer 1640,88 EuroGesamt 3744,58 Euro

Auch der Innenraum, die fleckigen Sitze, das speckige Lenkrad, erste Risse am Schaltsack sowie ein muffig-süßlicher Geruch in der Kabine verraten das tatsächliche Alter unserer Zeitmaschine. Doch im Kern ist der Wagen gesund. Der Motor schnurrt, der Kompressor – wer hätte darauf gewettet – arbeitet zuverlässig. Diese C-Klasse ist ein Aushängeschild für Mercedes. Und deshalb fahren wir weiter. Gönnen dem Oldie aber vorher eine wohlverdiente Fitness-Kur.

Es knarzt und knirscht hässlich. Und hätte beinah den wirtschaftlichen Tod für unseren tapferen Kilometerfresser bedeutet. Beim Rückwärtsfahren mit geöffneter Fahrertür übersah ein Kollege nach einem aufreibenden Arbeitstag eine Betonsäule im Parkhaus – die Tür knallt mit voller Wucht dagegen, bohrt sich in Richtung Kotflügel. Nur mit grober Gewalt lässt sie sich noch schließen.

In der Mercedes-Niederlassung dann der Schock: Die Reparatur soll 4581,36 Euro kosten – das ist beinahe ein wirtschaftlicher Totalschaden, denn mit seiner extrem hohen Laufleistung und in diesem Pflegezustand ist der karg ausgestattete C 180 maximal 5000 Euro wert, Händler würden nicht einmal die Hälfte geben.

Doch AUTO BILD gibt den Benz nicht auf, im Gegenteil. Der zähe 180 wird repariert. Günstiger, aber ebenso gut.

Unser C 180 ist mehr als ein gewöhnlicher Dauertestwagen. Er ist ein Statement gegen die Wegwerfgesellschaft. Er zeigt, wie lange ein Auto selbst unter harten Testbedingungen halten kann – bei regelmäßiger Wartung.

Spätestens auf welligen Autobahnabschnitten wird klar: Unser Dauertest-Benz hat an Straffheit eingebüßt, nach über 400 000 Kilometern haben die Stoßdämpfer nur noch die Wirkung einer Luftpumpe. Zudem poltert es beim Überfahren von Kopfsteinpflaster: Die Federbeinlager sind ebenfalls verschlissen. Bei Daimler kostet der Austausch 2554,49 Euro – die freie Werkstatt Auto Stern in Hamburg (www.auto-stern-hamburg.de) erledigt dies ebenso professionell, verlangt aber nur 1640,88 Euro.

Steinschlag, Streusalz, Baumharz, Vogelkot, UV-Licht, Hitze und Frost: Das Auto ist permanent Umwelteinflüssen ausgesetzt. Unser Dauertest-Benz sammelte fleißig Kilometer, zwischendurch musste ein Besuch in der Waschanlage reichen. Das Resultat nach zehn Jahren: Der Lack ist ermattet und oberflächlich verkratzt, im Innenraum müffelt es. Aufbereitungs-Profi Peter Bock in Hamburg (www.carfit-hamburg.de) geben wir den Auftrag, das Maximale aus dem verwelkten C herauszuholen. Es braucht zwei volle Arbeitstage, um jede Ritze akribisch zu reinigen, u. a. wird das komplette Auto von Hand mit Reinigungsknete behandelt und dreimal poliert. Kosten: 928,20 Euro.

Mercedes verlangt 4581,36 Euro für den Tausch der Fahrertür und des Kotflügels vorn links. Natürlich verwendet die Werksniederlassung Neuteile und lackiert diese, dazu kommt der horrende Stundensatz von 196,35 Euro für Karosseriearbeiten der Hamburger Niederlassung. Wir besorgen bei Ebay eine gebrauchte Fahrertür für 500 Euro in unserem Lackton Calcitweiß, so sparen wir die Lackierarbeiten. Der Kotflügel hat nur eine kaum sichtbare Stauchung, mit der wir leben können – deshalb bleibt er einfach drin. Den Türumbau übernimmt ein Profi: Karosseriebaubetrieb Haake in Hamburg (www.autohaake.de) berechnet 497 Euro für den Umbau. Für insgesamt 997 Euro ist der Schaden behoben.

Der Fahrersitz eines AUTO BILD-Dauertestwagens hat kein leichtes Leben und mitunter schwer zu tragen. Wenn in zehn Jahren und über 400 000 Kilometer mindestens 50 verschiedene Fahrer beim Ein- und Aussteigen über das Sitzkissen rutschen, büßt dieses schon mal Spannkraft ein. Äußerlich ist der Fahrersitz unseres C 180 zwar noch in einem erstaunlich guten Zustand, jedoch ist das Sitzkissen nicht mehr ausreichend fest. Ein Fall für den Autosattler Weinhold in Hamburg (www.autosattlerei-weinhold.de). Für 178,50 Euro wird die Sitzfläche neu aufgepolstert – nun sitzt es sich wieder richtig gut.

★ Vertragswerkstätten der Hersteller sind zu teuer – holen Sie sich Angebote freier Werkstätten, die qualitativ oft vergleichbar, aber erheblich günstiger sind.

Wir melden uns wieder – bei 500 000 Kilometern.